Frühling in Toulouse
Liebe Leser, eure Geduld wird belohnt. Es gibt jede Menge zu erzählen und ich werde versuchen so vollständig wie möglich zu sein. Wenn es zu physikalisch oder zu technisch wird, empfehle ich einfach den Absatz zu überspringen. Der Blog war von Anfang an zu einem guten Teil auch für mich gedacht. Schließlich sind die meisten Arten von tagebuchähnlichen Schriften ja in erster Linie für den Autor unterhaltsam, wenn er sie verwendet um sich zu einem Zeitpunkt, da die Erinnerungen an das Dokumentierte längst verblasst oder zumindest verklärt sind, das Erlebte und Gedachte wieder ins Gedächtnis zu rufen. Also erhebe ich keinerlei Anspruch auf Unterhaltsamkeit oder wirklichen, also nicht persönlichen, Informationsgehalt nach dem Empfinden Zweiter. Gut, soviel nur zum Verhältnis zwischen euch, Ihnen, Dir und mir und auch als Vorwarnung vor dem Kommenden.
Nach dieser ungewöhnlichen Einleitung gehe ich jetzt in der Zeit zurück bis zum Verfassungszeitpunkt meines letzten Eintrags. Also immerhin zwei Wochen und einen Tag. Ich befand mich damals mitten in der Pfüfungszeit, die ja diesmal, dem aufmerksamen Leser ist es nicht entgangen, etwas länger als eine Woche war. Die einzige Prüfung die mir noch fehlte, hatte ich als die leichteste dieser zweiten Prüfungsperiode eingeschätzt, was sich auch bestätigte. Dementsprechend war der Lernaufwand, den ich während diesem letztem Februarwochenende betrieb eher mäßig. Am Sonntag konnte ich also den bis dato letzten Punkt auf meiner Must-See Liste für Toulouse abhaken. Ich war im Hôtel d’Assézat, einem sich perfekt ins eigentlich sehr unterschiedliche Stadtbild einfügenden Renaissance Palais, welches mit der Foundation Bemberg eine sehenswerte Privatsammlung eines deutsch-französisch-argentinischen Kunst- und da vor allem Gemäldesammlers beherbergt. Der überwiegende Teil der Gemälde entstanden in der zweiten Hälfte des 19. und in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts. Der Sammler war offenbar in engem Kontakt zur französischen Szene der Impressionisten und Postimpressionisten. Man habe eine in der Größe sehr angenehme und was die Künstler angeht schon fast populäre Ausstellung von Kleinformaten und Zeichnungen aus den Ateliers (oder eben auch nicht aus diesen) von so alten Bekannten wie Monet, Manet, Gaugin, Renoir, Pissaro, Degas mit einer Betonung auf Pierre Bonnard vor Augen, die gelegentlich von einer Rodin Skulptur noch bereichert wird. Die also überaus bekömmlichen Umstände habe ich mir noch von einer Führung, die für uns kleines Grüppchen von sieben interessierten Sonntagsbesuchern selbstverständlich in Französisch gehalten und so auch an den Stellen bereichernd war, an denen schon oft Gehörtes erinnert wurde.
Montag und Dienstag waren dann aber doch zum großen Teil wieder der Lektüre und Diskussion von prüfungsrelevanten Themen gewidmet. Nebenbei hatte ich zu diesem Zeitpunkt und auch bis heute immer wieder an dem von mir für die Firma ACM betreute Quatrol Softwareprojekt zu arbeiten. Zu diesem Zeitpunkt war gerade ein durch sehr kontraintuitives Verhalten von Seiten der Programmierschnittstelle von Windows verursachtes Problem behoben und ich hatte begonnen mich am Papier auf den Umstieg der Netzwerkkommunikation von einem zentralverwalteten TCP Server-Client Konzept auf ein, was die Netzwerkhardware angeht, hoffentlich wesentlich fehlertoleranteres UDP Multicast Konzept vorzubereiten. Die Entwicklung einer Alpha Version dieser neuen Implementierung hat bis gestern gedauert und war auch mit Grund für das Ausbleiben eines Blogeintrags letztes Wochenende. Mit kommender Woche beginnt die erfahrungsgemäß insgesamt, aber zum Glück nicht für mich, wesentlich zeitaufwendigere Test- und Fehlerbereinigungsphase. Hauptmotivation für diese Umstellung in dieser Phase des Projektes, da der technische Leiter der Firma und ich schon seit einem guten Jahr auf eine Feature-Freeze hinarbeiten, waren sich wiederholende Probleme vor allem bei sehr langen Laufzeiten des Systems, ich spreche hier von Monaten, in Kombination mit instabilen Netzwerkverbindungen. Die technisch wesentlich weniger aufwendige und damit potentiell weniger fehleranfällige UDP Lösung wird, wie wir spekulieren, auch unter diesen Bedinungen den Stabilitätskriterien an die Software gerecht werden.
Die Prüfung am Mittwoch hatte dann für mich eine Überraschung parat: Es war erlaubt die Vorlesungsunterlagen zu verwenden. Form der Prüfung war also ein Fragebogen, den eine Woche vorher per Email verteilten Artikel zum Vorlesungsthema angehend. Ganz geschenkt war die Note trotzdem nicht, da die Fragen sozusagen um die Ecke große Teile des Vorlesungsstoffen abgedeckt haben und nur durch Textrecherche in den Unterlagen nicht zu beantworten waren.
Dann hatte ich Semesterferien. Für exakt 45 Stunden.
Seit Freitag um 9:00 Uhr bin ich Stagaire. Also Praktikant im am Campus ansässigen LCAR (Laboratoire Collisions Agrégats Réactivité) bei Béatrice Chatel in der Femtolaser Gruppe. Ich arbeite gemeinsam mit Damien Bigourd, einem Post-Doc in ebendieser Gruppe, an der Erzeugung und dem Studium von in Photonischen Kristallfasern erzeugtem „Supercontinuum“. Ein kurzes Stück (einige Milli- bis Centimeter) dieser speziellen Glasfaser, die Licht bei einer (manchmal zwei) bestimmten Wellenlänge (in unserem Fall 670 nm) dispersionsfrei leitet, wird von einem Laser (im Moment Wellenlänge 800 nm, Puls FWHM 100-130 fs, bei 1 kHz und 3 mJ Pulsausgangsenergie) gepumpt. In der Glasfaser entsteht dann aufgrund je nach Differenz zwischen der Zero Dispersion Wavelength (ZDW) und der Wellenlänge des Laserpulses unterschiedlichen nichtlinearen optischen Effekten ein sehr stark verbreitertes Spektrum von bei kurzen Faserlängen weiterhin kohärentem Licht. Soweit die Theorie. Jedoch ergeben sich in der Praxis verschiedene recht geduldstrapazierende Probleme. Das erste offensichtlich Problem ist, den Laserstrahl von 5 Millimeter Breite mittels einer Linse mit Durchmesser 4 Millimeter und Brennweite ebenfalls 4 Millimeter auf das leitende Zentrum der Faser zu fokussieren, welches seinerseits einen Durchmesser von 1,4 Mikrometern hat. Erschwerend kommt hinzu, dass der Laserstrahl durch die notwendigen Schutzbrillen natürlich nicht sichtbar ist, immerhin schützen diese Brillen ja davor ihn zu sehen. Man ist somit auf die Dienste einer Infrarotkamera angewiesen, die den in seiner Intensität stark reduzierten Laserstrahl (etwa 10 Nanojoule pro Puls) als leuchtend grünen Fleck darstellt. Darin liegt aber wiederum das Problem, dass man einen Fleck schwer auf einen Mikrometer genau ausrichten kann. Also sobald wir nur die geringste Hoffnung hegen, die Glasfaser zumindest einigermaßen nahe am Fokalpunkt zu haben gehen wir zur Strategie B über und verlassen uns auf eine Photodiode am anderen Ende der Faser. Nun wird mit Fingerspitzengefühl an den Mikrometerschrauben des Probentischchens gedreht, auf dem wir die Faser platziert haben. Übrigens muss die Faser vorher lückenfrei mit Knetmasse umgeben werden, damit die Photodiode nicht das an der Faser vorbeigehende Licht misst. Irgendwie versuchen wir dann mit diesen Mitteln das geleitete Lichtsignal zu maximieren. Allerdings ist das vor allem dann nicht einfach, wenn zu allem Überdruss auch noch der Laser anfängt ein Eigenleben zu entwickeln und in seiner Intensität über eingie Sekunden hinweg stark variiert, wie es vorgestern der Fall war. Immerhin haben wir es bisher zweimal geschafft als letzten Arbeitsschritt auch noch das Spektroskop in Stellung zu bringen, nachdem wir das nach der Faser stark diffuse Signal mit einer zweiten Linse wieder kollimieren. Leider hatten wir beide Male zwar schon interessante, aber nicht die gewünschten Ergebnisse. Aber es hat auch nie jemand behauptet, dass es leicht wäre.
So verbringe ich also von Montag bis Freitag von 9:00 bis 11:30 und dann von 13:00 bis 18:00 meine Zeit. Während der langen Mittagspause (ich bin der erste der in die Pause geht, weil mir später die Schlange vor der Mensa zu lang ist) geht sich meistens auch noch ein 20 minütiges Mittagsschlummerchen in meinem Zimmer aus. Das ist der große Vorteil daran, wenn man quasi am Arbeitsplatz wohnt. Donnerstags gehe ich schon um fünf, um dann noch von 18 bis 20 Uhr Rudern zu können oder zumindest ein bisschen Ergometer zu ziehen. Dienstag Abend ist auch weiterhin Orchester. Außer am Wochenende bleibt also nicht viel Freizeit, wenn ich nach dem Labor noch Arbeiten oder Lernen muss.
Und zuletzt sei noch erwähnt, dass ich gestern zum ersten Mal auf einer rein deutschen Party war. Es war eine so genannte Airbus Party, da die Ausrichtenden alle Angestellte dieses Unternehmens sind und auch die Gäste zum allergrößten Teil zumindest ein ähnliches Betätigungsfeld, also ein luftfahrtbezogenes, hatten. Da es sich um die Einweihungsfeier einer WG etwas außerhalb der Stadt handelte, habe ich mich diesmal als Fahrer zur Verfügung gestellt und meinen Getränkekonsum auf Orangina (avec sa pulpe) und Cola beschränkt. Wie vielleicht schon aufgrund der Gästeliste (alles Deutsch) und deren Beziehung (Arbeitskollegen) zu erraten war, war die Party für mich als solche nicht zu erkennen. Also sind wir auch recht bald wieder abgezogen und in ein Tanzlokal im Zentrum übersiedelt. Erwähnenswert ist noch, dass ich an diesem Abend zum ersten Mal mit meinem Fahrrad in die Stadt gefahren bin und natürlich dann des nächtens auch zurück. So etwas empfiehlt sich aber wirklich nur zumindest fast nüchtern und nicht alleine zu machen (ich war mit Alex unterwegs), da ich schon von recht unangenehmen Erfahrungen gehört habe (nachzulesen auf dem Blog von Tobias: AndNothingToulouse, sowieso eine längst überfällige Leseempfehlung, da sein Blog für die Breitbandbesitzer unter euch sogar mit Videos geschmückt ist).
Mit dieser Anekdote bin ich jetzt aber trotz vorgewarnter Überlänge schon am Ende dieses Beitrags angelangt und damit auch beim
Bis zum nächsten Mal lieber Blog
P.S.: Nicht müde werden! Für alle die gestern hier nicht vorbeigeschaut haben: Natascha’s Beitrag direkt unter diesem hier ist ebenfalls neu.